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Die Phasen einer ReitstundeDie Sache mit den zu losen Zügeln

Die Phasen einer Reitstunde

Jede Reitstunde sollte in verschiedene Phasen gegliedert sein, damit Pferd und Reiter erfolgreich zusammenarbeiten können. Man unterscheidet die Aufwärm-, Lockerungs-, Arbeits- und Abreitphase.

Die Aufwärmphase

Lass das Pferd während mindestens fünf bis zehn Minuten im Schritt auf beiden Händen am langen Zügel gehen. Je nach Pferd kann die Aufwärmphase auch länger dauern. Besonders Boxenpferde, ältere Pferde und kalte Temperaturen erfordern genügend langes Aufwärmen. In der Aufwärmphase werden die Muskeln auf die Arbeit vorbereitet und die Gelenkkapseln geben mehr Gelenkschmiere ab. Damit vermindert man das Risiko, dass das Pferd sich z. B. eine Zerrung holt. Die Aufwärmphase bietet ausserdem Pferd und Reiter Gelegenheit, sich geistig auf die Arbeit einzustellen. Hilfszügel werden erst nach diesen paar Minuten Schritt, besser erst zu Beginnn der Arbeitsphase, eingeschnallt. Du kannst die Aufwärmphase auch für dich nutzen, indem du einige Lockerungsübungen auf dem Pferd machst. Einige Vorschläge findest du unter «Fit fürs Reiten».

Die Lösungsphase

Nach dem Schrittreiten wird am etwas längeren Zügel getrabt. Entlaste dabei den Pferderücken indem du leichtreitest. Reite geradeaus, bis das Pferd fleissig genug geht, dann beginnst du mit grossen Bögen wie grossen Volten (Zirkel/grosse Tour) und grossen Schlangenlinien in drei Bögen. Ein kurzer Galopp im leichten Sitz lockert das Pferd zusätzlich. Am Ende der Aufwärmphase sollte das Pferd schön vorwärts-abwärts gehen.

Die Arbeitsphase

Allmählich kannst du nun die Zügel aufnehmen und mit versammelnden Lektion beginnen. Dazu gehören etwa das Reiten von Übergängen, kleinen Volten und Schlangenlinien mit mehr als 3 Bögen. Baue zwischendurch immer wieder kurze Erholungsphasen ein, in denen du dem Pferd die Zügel etwas länger gibst und etwa eine Runde lang nichts von ihm verlangst. Du kannst es dazu auch Schritt gehen oder ein paar Minuten ruhig stehen lassen. Du wirst schnell feststellen, dass dein Pferd viel motivierter mitarbeitet, wenn du ihm ab und zu eine Pause gönnst. Besonders wirkungsvoll sind Pausen als Lob, nachdem das Pferd etwas gut gemacht hat. Mit solchen Erholungsphasen verhinderst du zudem, dass sich das Pferd verkrampft. Ein korrekt gerittenes Pferd geht danach auch wieder über den Rücken. Wenn du dein Pferd zwischendurch nicht dehnen lässt, weil du befürchtest, dass es danach nicht mehr am Zügel gehen könnte, machst du dir nur selber etwas vor.

Abreiten

Nach der Arbeitsphase reitest du das Pferd nochmals auf beiden Händen am halblangen Zügel vorwärts. Lass es dabei die Zügel aus der Hand kauen. Wenn du dein Pferd gut gearbeitet hast, geht es nun entspannt und zufrieden in Dehnungshaltung vorwärts. Hilfszügel nimmt man nach der Arbeitsphase wieder heraus, damit sich das Pferd dehnen und strecken kann. Zum Schluss reitest oder führst du das Pferd dann im Schritt am langen Zügel trocken. Es sollte am Ende wieder ruhig atmen.

Die Sache mit den zu losen Zügeln

Vielleicht hast du dich auch schon gefragt, wieso du in der Reitstunde dauernd ermahnt wirst, die Zügel doch kürzer zu nehmen. Unter Umständen hast du es nur widerstrebend getan, weil du dem Pferd nicht im Maul herumziehen wolltest und beim Verkürzen der Zügel deutlichen Widerstand des Pferdes gespürt hast. Anlehnung hat aber nichts mit Ziehen zu tun. Gemeint ist, dass du eine elastische und gleichmässige Verbindung zum Pferdemaul haben sollst. Du musst das Pferdemaul über den Zügel spüren. So kannst du (mit ein wenig Erfahrung natürlich) besser vorausahnen, was das Pferd vorhat und du hast es auch schneller wieder unter Kontrolle, wenn es mal einen Satz machen sollte oder vorwärtsstürmen will, als wenn du zuerst noch die Zügel nachfassen musst.

Du kannst dir vorstellen, die Zügel seien ein Gummiband, das der Bewegung des Pferdemauls folgt. Die Zügel sind immer etwas gespannt. Sie sollen nicht wechselweise durchhängen und wieder anstehen, denn das ist für das Pferd unangenehm. Beobachte einmal Kopf und Hals eines Pferdes während es sich bewegt. Du wirst feststellen, dass das Pferd nicht nur die Beine bewegt, sondern auch Rumpf, Kopf und Hals. Das Pferd «nickt» regelmässig. Diese Nickbewegung musst du mit deinen Händen mitmachen. Nicht alle Pferde nicken gleich stark. Je weiter ein Pferd ausgebildet ist, desto kleiner ist diese Bewegung, da das Pferd sich nicht mehr über den Hals ausbalanciert.

Richtig

Vielleicht kannst du mal mit jemandem Folgendes ausprobieren: Einer hängt sich ein Zaumzeug über den Kopf und nimmt das Gebiss in die Hände. Der andere steht hinter das «Pferd» und nimmt die Zügel. Wenn du «Pferd» bist, wirst du merken, dass du viel eher erkennen kannst, wann eine Hilfe kommt, wenn die Zügel gleichmässig anstehen. Hängen die Zügel durch und der Reiter folgt der Bewegung nicht (die Zügel stehen mal an, dann hängen sie wieder durch), spürst du dauernd Rucke, von denen du nicht weisst, wie du sie einordnen sollst. Sind das jetzt Hilfen oder hält der Reiter die Zügel einfach nicht ruhig? Gerade in Gefahrensituationen ist es deshalb wichtig, dass man eine gute Verbindung zum Pferdemaul hat und dem Pferd somit klare Anweisungen gibt. Tut man das nicht, übernimmt vielleicht das Pferd das Kommando! Merke dir aber, dass eine «gute Verbindung» nicht «starker Zug am Zügel» ist! Wenn dein Pferd vor einem bestimmten Gegenstand scheut solltest du ihm trotz Anlehnung ermöglichen, den Hals lang zu machen und sich das gefährliche Ding anzuschauen.

Wichtig !

Festhalten ist nie erlaubt! Deine Hand muss dem Pferdemaul immer folgen – wirklich immer!

Verunsichertes Pferd

Zurück zu unserer Trockenübung: Der «Reiter» muss zudem bei guter Anlehnung eine viel kleinere Bewegung machen um dem «Pferd» eine Hilfe zu übermitteln. Das Handgelenk eindrehen oder die Finger bewegen reicht schon aus! Hängen die Zügel durch, muss er dagegen unter Umständen die Ellenbogen weit nach hinten nehmen, sich vielleicht sogar zurücklehnen, bis endlich eine Hilfe (bzw. ein unkontrolliertes Ziehen) beim Pferdemaul ankommt. Der Reiter mit guter Anlehnung «spricht» über möglichst geringen Druck mit dem Pferd. Derjenige mit unregelmässiger Anlehnung «schreit» hingegen undeutliche Kommandos, die er aus der Sicht des Pferdes mehr oder weniger willkürlich gibt, weil sie nicht rechtzeitig bei ihm ankommen.

Flucht

Vielleicht kennst du dieses Spiel, wo man zwei Becher mit einer Schnur im Boden verbindet, die Schnur dann spannt und so miteinander «telefonieren» kann. Das funktioniert nur mit etwas angespannter Schnur. Wenn sie durchhängt, kommt beim anderen Becher kein Ton an. Ähnlich ist es beim Reiten. Wenn du eine ruhige, konstante Verbindung zum Pferd hast, kannst du ohne grosse Anstrengungen klare Signale ans Pferd weitergeben.

«Mein Reitlehrer sagt, die Zügel seien immer noch zu lang»

Nun hast du dich bemüht, eine gleichmässige, aber feine Zügelverbindung herzustellen und dein Reitlehrer fordert dich immer noch auf, die Zügel nachzufassen. Das geht doch gar nicht ohne zu ziehen, denkst du. Doch, es geht, und dein Reitlehrer hat wahrscheinlich sogar recht, mit dem, was er durch das Verkürzen des Zügels erreichen möchte. Dumm nur, dass du nur genau das tust, was er dir sagt, während dir ein Stück Hintergrundwissen dazu fehlt. Lass mich ein wenig ausholen. Es ist schwierig zu erklären, aber einfach, wenn du es einmal selber gefühlt hast.

Ziel ist, dass du über die Zügel die Hinterbeine des Pferdes spüren kannst. Das klingt vielleicht seltsam, ist aber tatsächlich möglich – und wichtig! Denn so wie du die Hinterbeine des Pferdes über deine Hände spürst, verbinden sich auch die Hilfen, die beim Pferd ankommen. Deine Einwirkung wird präziser und das Pferd kann sich weniger leicht einzelnen Hilfen entziehen. Voraussetzung dafür ist, dass du deine Rumpfmuskulatur gut angespannt hast und dass deine Ellbogen am Rumpf anliegen. Wie du Rumpfspannung aufbaust, erkläre ich dir weiter unten. Nur wenn du genügend Rumpfspannung hast, wird auch das Pferd seine Rumpfmuskulatur aktivieren und den Rücken anheben. Ein zu loser Rumpf und nicht mit dem Rumpf verankerte Ellbogen wirken wie ein schwarzes Loch, in dem alle deine Hilfen wirkungslos verpuffen! Das Pferd wird seinen Rücken durchhängen lassen und auf deine treibenden wie auch deine verhaltenden Hilfen reagieren, indem es den Rücken steif macht oder durchdrückt. So ist kein Spannungsbogen zwischen Hinterhand und Pferdemaul möglich.

Wichtig

Voraussetzung für effektive Hilfengebung sind gute Rumpfspannung und am Rumpf verankerte Ellbogen. In der Reitersprache spricht man anstelle von Rumpfspannung meistens von Kreuzeinwirkung.

Ziel ist ein aufwärtsgerichteter Spannungsbogen durchs Pferd: Du treibst mit deinen Schenkeln und dem Kreuz, also dem stabilen Rumpf, die Bewegungsenergie des Pferdes an das Gebiss heran. Das Pferd soll mit den Hinterbeinen mehr unter seinen Körper treten, sodass sich der Abstand zwischen Vorder- und Hinterbeinen verkürzt, dann kannst du die Hinterbeine mit einer Gewichtshilfe belasten. Du kannst dir einfach vorstellen, dass du dich auf die Hinterbeine draufsetzt. Dadurch beugt das Pferd die Gelenke stärker und federt anschliessend mehr nach oben, so wie ein Ball höher springt, wenn du mit stärkerem Druck prellst. Das Pferd richtet sich in der Vorhand auf, wodurch auch der Abstand zwischen Hand und Pferdemaul kleiner wird – der Zügelkontakt wird leichter. Man sagt, das Pferd kommt ins Gleichgewicht und beginnt sich auf der Hinterhand zu tragen.

Am Gebiss findet das Pferd eine Begrenzung nach vorne, an die es sich anlehnen kann, was es mehr oder weniger deutlich machen wird. Wenn du eine annehmende Zügelhilfe gibst, soll dieser Impuls vom Gebiss über die stabile Zügelverbindung zu deinen Ellbogen fliessen. Die am Oberkörper sanft anliegenden Ellbogen und der stabile Rumpf ermöglichen eine Übertragung des Impulses in dein Becken, wo die annehmende Zügelhilfe als belastende Gewichtshilfe beim Pferd ankommt. Sollte das Pferd dieser Hilfe ausweichen wollen, indem es den Rücken durchdrückt und die Hinterbeine nach hinten herausstellt, treibst du es mit Schenkel und Kreuz wieder an die Hand heran. Reagiert es auf eine vortreibende Schenkelhilfe mit zu viel Vorwärtsdrang, sind es wiederum Kreuz und Hand, die das Pferd im Zusammenspiel daran hindern, sich zu entziehen.

Und damit wären wir wieder bei der Frage, was du eigentlich tun sollst, wenn dein Reitlehrer sagt, du sollst die Zügel nachfassen, das Pferd «zusammenstellen» oder «versammeln». Du hast wahrscheinlich selber gemerkt, dass das Pferd widerwillig reagiert, wenn du nur die Zügel verkürzt. So geht es richtig:

Merke dir

«Zügel nachfassen» heisst:

  1. Hinterbeine vortreiben
  2. Hinterbeine belasten
  3. Wenn die Verbindung leichter geworden ist, Zügel soweit nachfassen, dass du wieder die Hinterbeine in deinen Händen spürst.

All diese Hilfen folgen relativ rasch aufeinander und werden immer wieder wiederholt, wenn das Pferd sich besser tragen soll. Du solltest sie auch immer dann geben, wenn du das Pferd auf eine neue Aufgabe vorbereiten willst, sei das eine Wendung, oder ein Übergang in eine ander Gangart oder in ein anderes Tempo. Man spricht auch von halben Paraden.