Mit Pferden arbeiten

Träumst du davon, einmal Pferdepflegerin, Bereiterin oder Reitlehrerin zu werden? Den ganzen Tag lang mit Pferden zu tun haben – das muss toll sein, nicht wahr? Wie der Alltag einer Pferdepflegerin aussehen kann, kann ich euch erzählen. Im Sommer 2002 arbeitete ich vier Wochen lang von morgens bis abends im Reitstall und verdiente mir so meine Reitstunden.

6.20

Der Wecker piepst. Ich muss aus den Federn. Schnell anzeihen und aufs WC. In zehn Minuten muss ich im Stall sein.

6.30

Vreni, die Pferdepflegerin, ist auch schon da. Die Pferde bekommen ein erstes Mal Heu und Luzerne. Pfüdi bekommt doppelt so viel Luzerne wie sonst, weil er durch den Husten so abgemagert ist. Schubkarren, Gabeln und Schaufeln zum Misten werden bereitgestellt, die Strohballen werden in der Stallgasse verteilt. Jetzt geben wir den Pferden Kraftfutter. Pfüdi und Tom bekommen Hustensirup. Dann kommen die Pferde der Stallbesitzer und Guapo auf die Weide.

6.50

Wir beginnen mit Misten. Zuerst wird der Privatpferdestall gemacht. Einige Pferde sind richtige Schweine. Da stand ich am ersten Tag in der grossen Boxe, sah nichts als Mist und wusste nicht, wo anfangen! Während ich eine Boxe miste, mistet Vreni mindestens drei … Bis zum Ende der vier Wochen brauchte ich aber nur noch halb so lang wie am Anfang. Die Pferdeäpfel und das nasse Stroh kommen in die Schubkarre, das saubere Stroh schichte ich in den Ecken auf und verteile es später gleichmässig wieder in der Box. Dann kommt noch frisches Stroh dazu. Die Schubkarre füllt sich. Ich muss sie leeren. Gar nicht so einfach, wenn der Misthaufen fast so hoch ist wie ich selber!

Nachdem die Boxen im Privatstall sauber sind, wird die Stallgasse gewischt. Nun kommen die Schulpferde an die Reihe. Bei Bänz und Motus muss ich aufpassen, dass sie nicht abhauen, während die Boxentür offen ist. Tom und Bänz zeigen ausserdem grosses Interesse an Mistgabel und Schaufel und wollen sie beknabbern. Drüben schimpft Vreni: «So David, geh jetzt endlich zur Seite!» Jerry giftet einen immer an. Er ist ein richtiger Morgenmuffel und will seine Box für sich alleine haben. So anstrengend Misten ist: Es macht irgendwie auch Spass! Man hat seine Ruhe und kann über alles Mögliche nachdenken, während man arbeitet.

9.15

Die letzte Schubkarre ist geleert, der Misthaufen einen halben Meter höher. Jetzt wischen wir noch die zweite Stallgasse und den Hof. Der Mist wird gleichmässig auf dem Misthaufen verteilt.

9.30

Eine halbe Stunde Pause

10.00

Jetzt gehts wieder in den Stall. Vreni reitet mit einer Einstellerin aus. Währenddessen putze ich die Ponys. Ich putze nicht alle, sondern nur ein paar, die dafür gründlicher. Morgen kommen die anderen dran.

11.00

Futterzeit. Vreni ist noch nicht zurück. Also bewaffne ich mich mit Futterplan (Ich kann ihn noch nicht auswendig), Heu und Luzerne und füttere alleine. Serijs will sein Heu nicht fressen. Ich sage es seiner Besitzerin, der Reitlehrerin. «Hast du ihm nasses Heu gegeben?» – «Ja.» Sie überlegt. «Hast du Luzerne gegeben?» – «… ähm … Ich glaub das hab ich vergessen …» Lord Serijs will aber gefälligst seine Vorspeise haben. «Hauptgang ohne Vorspeise? Neeein, so esse ich nicht!»
Nach dem Heu geben wird nochmals gemistet. Diesmal entferne ich aber nur die Äpfel. Darum ist mittags der Stall auch innerhalb von etwa einer halben Stunde gemacht.

11.30

Die Pferde und Ponys bekommen Kraftfutter. Das ist Hafer, Gerste, Mais und anderes Getreide. Vreni ist wieder zurück. Wir wischen wieder die Stallgasse und dann holen wir die Pferde von der Weide.

11.50

Mittagspause.

13.00

Die zweite Reitlehrerin kommt. Es wird gequatscht, gelacht, der Nachmittag geplant und die Ponys eingeteilt.

13.40

Ich ziehe meine Reitsachen an. Dann ab in den Stall und in die Box von El Cid.

14.00

Cid reiten. Wir sollen voneinander lernen, das macht Spass. Täglich gibt es Fortschritte – und manchmal klappt auch gar nichts.

15.00

Die ersten Reitschüler wuseln schon im Stall herum. Sidi versorgen. Manchmal muss ich noch auf die Weiden zum Bollen sammeln. Dann suche ich meine Theorieblätter zusammen. Habe ich alles? Sonst muss ich noch schnell kopieren gehen. Am Dienstag bin ich zudem jeweils damit beschäftigt draussen auf dem Hof mit Kreide Dressurvierecke, Bahnbuchstaben und Hufschlagfiguren auf den Boden zu zeichnen. Bis die Verhältnisse dann endlich ungefähr stimmen …!

15.30

Jetzt gehts los! Die Reitschüler machen die Ponys für die Reitstunde parat. Fragen über Fragen: «Wo soll ich mein Pony anbinden?», «Kannst du mir helfen?», «Kommst du schnell?», «Hilfe! Es geht nicht!», «Kann ich …?» Ich eile zur Stelle, helfe, erkläre … schimpfe … Ganz schön stressig! Zum Glück gibts hier und da noch ein paar Helfer!

16.00

Die erste Gruppe ist in der Reithalle verfrachtet. Jetzt hab ich nur noch den halben Flohsack zu hüten. Theorie ist angesagt. Es ist gar nicht so einfach, den Reitschülern alles zu erklären! Manchmal bin ich mir nicht so sicher, ob sie verstanden haben, was ich erzähle. Aber wenn sie nicht fragen … Am meisten Sorge bereiten mir die Hufschlagfiguren. Für mich sind die so einfach, aber einige von ihnen sehen das anscheinend anders. Ob es an mir liegt? An ihren Zeichenkünsten? Am Alter? Oder … ? Bei anderen Theoriestunden gilt es, das richtige Pony auszuwählen: Nicht jedes mag eine halbe Stunde lang in der Stallgasse stehen und sich berühren und erklären lassen.

16.30

Nach dem Heufüttern ist die zweite Gruppe dran mit Ponys paratmachen. Der Stress geht wieder los. Diesmal habe ich auch weniger Helfer, denn die Reitlehrerinnen sind in der Halle und geben Unterricht. Manche der Reitschüler muss ich bremsen, weil sie sonst innerhalb von zehn Minuten fertig wären, während ich andere antreiben muss, die nach zehn Minuten ihr Pony immer noch auf der gleichen Seite bürsten. Es gibt in dem ganzen Chaos auch schöne Momente. Etwa wenn sich Eva bei Jerry jedes Mal bedankt, wenn er ihr den Huf gibt. Oder auch zu sehen, dass jemand sein Pony schon fast selber satteln kann, der anfangs Woche noch nicht mal eine Ahnung davon hatte, wie man ihm das Halfter anzieht.

17.00

Nachdem die zweite Gruppe in der Halle und aufgestiegen ist, kommt die erste raus. Absatteln helfen ist weit weniger anstrengend als paratmachen. Endlich sind alle draussen und auch die letzte Trense gewaschen und der letzte Zaum aufgehängt. Nun gibts auch für diese Gruppe noch Theorie.

17.40

Theorie ist fertig. Vreni hat in der Zwischenzeit den Stall ein drittes Mal gemistet und ist gerade bei den letzten Boxen. Ich wische den Stallgang. Manchmal reicht die Zeit noch, um kurz in die Reithalle zu schauen, wie's in der Reitstunde läuft.

18.00

Die zweite Gruppe kommt aus der Halle. Man muss Hufe auskratzen und beim Absatteln und Versorgen helfen.

18.10

Alle Ponys sind in ihren Boxen. Jetzt bekommen sie noch mal Kraftfutter. Der Futterwagen kommt unter die Treppe zur Tribüne und wird zugedeckt. Ein letzter Blick: «Ist alles in Ordnung?» Dann ist mein Arbeitstag zu Ende.

21.30

Normalerweise gehe ich ja erst um elf oder noch später schlafen, aber nach einem Tag im Stall war ich immer so müde, dass ich um spätestens halb zehn tief und fest schlief.

Fazit nach vier Wochen Arbeit im Stall

Manche Ponys und Pferde gingen mir plötzlich auf die Nerven, als ich täglich mit ihnen zu tun hatte. Ich habe viel Neues an jedem Einzelnen entdeckt: Lustiges, Spezielles und eben auch Nerviges. Auch die Reitschüler haben mir ein paar Nerven geraubt, aber sie haben mir mindestens ebensoviel Freude bereitet. Trotz oder vielleicht gerade wegen all der Anstrengungen bin ich jeden Abend zufrieden aus dem Stall gegangen und stand auch morgens gerne auf, obwohl ich überhaupt kein Frühaufsteher bin. Glücklicherweise hatten wir ziemlich milde Temperaturen. Ich bin mir aber nicht so sicher, wie gerne ich bei brütender Hitze und klirrender Kälte im Stall arbeiten würde. Und ob ich im Winter in aller Dunkelheit ebenso schnell aufgestanden wäre ist auch fraglich.