Grundsätzlich kann man sagen, dass fast jeder
        Haltungsfehler entweder aus der Hinterhand kommt oder
        Auswirkungen auf die Hinterhand hat. Du hast es in den
        Checklisten gesehen, und du kennt es auch aus der Skala der Ausbildung: Der Takt
        ist die Grundlage. Nur wenn das Pferd gleichmässig
        tritt können seine Rückenmuskeln richtig
        arbeiten. Und nur wenn die Rückenmuskulatur frei
        arbeiten kann, kann das Pferd losgelassen sein –
        der zweite Punkt in der Skala der Ausbildung. (Im
        Übrigen ist das auch ein Grund dafür, weshalb
        der Sattel dem Pferd angepasst sein sollte.) Nur das
        losgelassene Pferd wird sich an die Hand des Reiters
        herandehnen, die Anlehnung suchen ohne sich auf die Hand
        zu legen (3. Punkt der Ausbildungsskala) und in die
        Dehnungshaltung finden. Nur aus der losgelassenen Haltung
        mit Anlehnung an die Reiterhand wiederum kann das Pferd
        Schwung entwickeln und sich aufrichten, ohne das
        Gleichgewicht zu verlieren. Durch den
        Schwung wird die Hinterhand, die bisher vor allem
        vorwärts geschoben hat, gekräftigt. Das Pferd
        muss nun gerade gerichtet werden (siehe natürliche Schiefe),
        damit es beide Hinterbeine gleich zum Tragen einsetzt.
        Erst dann ist die Hinterhand dazu befähigt, mehr
        Last zu tragen. Aus dieser vermehrten Tragfähigkeit
        – unter Beibehaltung der vorangehenden Punkte
        – folgt die Versammlung, die Reiter und Pferd
        vollkommene Kontrolle über den Körper bei
       minimaler Anstrengung ermöglicht.
         Du siehst: Alles hängt von einander ab. Ein
        Fortschritt in einem Ausbildungspunkt führt zur
        Verbesserung weiterer Punkte. Genauso bedeutet das aber
        auch, dass sich jeder Mangel auch auf alle
        vorangegangenen und die folgenden Punkte der Skala
        auswirkt. Der Hinterhand als Anfangsglied kommt daher
        eine besondere Bedeutung zu.
         Wichtig: Es spielt keine Rolle, ob das Pferd von sich
        aus eine falsche Haltung einnimmt oder ob es der Reiter
        in diese Haltung bringt, falsch ist falsch und sollte
        korrigiert werden.
      
 
  
            Dieser Fehler kommt in zig Varianten von leicht bis schwer vor. Dementsprechend wirst du die aufgezählten Merkmale nicht immer in derselben Ausprägung oder manche davon auch gar nicht sehen.
Diese Haltung wird von manchen Reitern bewusst als Trainingsmethode angewandt. Oftmals soll sie das Reiten in Dehnungshaltung ersetzen. Sie ist aber völlig kontraproduktiv, will man entsprechend den anatomischen Gegebenheiten des Pferdes und den klassischen Grundsätzen der Dressur reiten.
            
            
Das vorschwingende Hinterbein tritt nicht mehr genug weit unter den Körper – der Rücken wird nicht von hinten aufgewölbt sondern ist gehöhlt, die Lende steht heraus (Blaue Pfeile). Die Oberlinie des Pferdes wird nicht gelängt. (Gelbe Pfeile) Die Halsunterseite ist angespannt und zieht den Kopf an die Brust. Die HWS wird aufgefaltet, der Schweif steht steif heraus. (Rote Pfeile) Das Pferd ist nicht im Gleichgewicht sondern auf der Vorhand. (Grün)
Auch diese Haltung wird von namhaften Dressurreitern zu Trainingszwecken geritten. Sie ist die Extremform des «Tief-und-rund»-Reitens. Der Unterschied liegt zum einen darin, dass die Pferde stärker aufgerollt werden, zum anderen darin, dass in dieser Haltung auch Lektionen geritten werden, die man normalerweise in aufgerichteter Versammlung reitet. Bisweilen wird dem Pferd zusätzlich auch noch der Hals stark seitlich abgestellt. Dem Pferd werden die Aufgaben im Training viel schwerer gemacht als sie dann auf dem Turnier sind, damit es sie auf dem Turnier mit mehr Leichtigkeit ausführen wird. Nach heftigen Kontroversen entschied die FEI, dass dies jedoch dem Pferd bei korrekter Anwendung nicht schade und somit nicht verwerflich sei. Die tierquälerische Technik wurde mit dem beschönigenden Namen «Hyperflexion (= Überdehnung) des Halses» versehen. Weiss man aber, was in dieser Haltung im Körper des Pferdes vor sich geht, kann man kaum anders, als dies als Tierquälerei zu bezeichnen. Es ist traurig, dass Leute mit solcherart trainierten Pferden Weltrekorde und Olympiasiege in der Dressur einheimsen können, wo die durch dieses Training entstandenen Mängel bei jedem Ritt eigentlich deutlich sichtbar sind. Wer an einer Reitweise interessiert ist, die dem Pferd nicht schadet, sondern ihm zu Stolz und Schönheit verhilft, wird die Finger von solchen Trainingsmethoden lassen.
            
 
  
             
            Besonders in der Versammlung (Rechts eine Piaffe – vergleiche das Bild mit dem Foto vom Haflinger auf der vorhergehenden Seite!) wird deutlich, was diese beiden Trainingsmethoden anrichten:
            
              Die Reiterin dieses Pferdes nutzt im Training das
              tiefe Einstellen. Auf diesem Bild geht das Pferd im
              versammelten Trab. Auch hier wird deutlich, dass
              von Versammlung kaum die Rede sein kann.
               Der Rücken ist nicht aufgewölbt, weil
              das Pferd weder weit untertritt noch die Hanken
              beugt. Die Lende steht deutlich sichtbar heraus.
              (Blaue Pfeile) Die Oberlinie erscheint kürzer
              als die Unterseite des Pferdes. (Gelb) Das Pferd
              zieht den Hals rückwärts hoch und
              verkriecht sich hinter dem Zügel. (Rote
              Pfeile) Der Schweif steht steif heraus. Das Pferd
              ist nicht versammelt und leicht, sondern auf der
              Vorhand.
            
            
| Fazit | Ein «tief und rund» oder mittels der «Rollkur» trainiertes Pferdes ist nicht mehr in der Lage, sich zu versammeln! | 
            
Es gibt verschieden starke Ausprägungen dieses Fehlers. Mal sieht man den falschen Knick sehr deutlich (1, 2), mal sieht man nur, dass nicht das Genick der höchste Punkt ist, sondern der 2./3. Halswirbel. Mal ist der Unterhals relativ entspannt (1, 3), mal zieht das Pferd den Kopf ein (2, 4), mal ist der Hals hoch (1, 2), und mal ist er tief (3, 4). Wie auch immer es aussieht, die Muskeln im Genick sind beim falschen Knick mehr oder weniger stark überdehnt. Die Halswirbelsäule ist nicht mehr maximal gelängt. Stattdessen knickt das Pferd zwischen zwischen den obersten Halswirbeln ab. Zügelhilfen verpuffern bei einem Pferd mit falschem Knick im Bereich des Knicks statt durch das ganze Pferd zu fliessen.
|   | Hoher Hals | 
              Alarmstellung, viel Anspannung im Pferd. | 
|   | Mittlere Aufrichtung bei entspanntem Genick (erwünschte Haltung) | 
              Mittlere Spannung ohne Krampf (Muskeln halten
              passiv statt sich aktiv zu verkürzen), das
              Pferd kann nach entsprechendem Training über
              längere Zeit in dieser Haltung bleiben ohne zu
              ermüden. | 
|   | Gedehnter Hals, entspanntes Genick (erwünschte Haltung) | 
              Muskeln halten passiv, das Pferd kann nach
              entsprechendem Training über längere Zeit
              in dieser Haltung bleiben ohne zu ermüden. | 
|   | 
              Hängengelassener  | 
              Steife Haltung ohne Dehnung des Nackenbandes, zu
              wenig Spannung im Pferd. | 
|   | Aufgerollter Hals | 
              Unterhals angespannt, Nackenband überdehnt,
              Gesichtsfeld stark eingeschränkt, Quetschung
              der Ohrspeicheldrüse, Verkrümmen der
              Halswirbelsäule |