Klassische ReitweiseDeutsche ReitweiseWesternreitenGangpferdereiten

Im Laufe der Zeit haben sich in unterschiedlichen Ländern verschiedene Reitstile entwickelt. Sie wurden immer davon beeinflusst, wofür man das Pferd brauchte: zum Viehhüten, Reisen, im Krieg … Einige aber bei weitem nicht alle Reitweisen stelle ich dir hier vor. Dieser Artikel stellt jedoch keine abschliessende Definition dar, sondern soll einen groben Überblick über die häufigsten Reitweisen im deutschsprachigen Raum geben und ist sicherlich nicht ganz frei von Klischees, obwohl ich mich um eine möglichst neutrale Beschreibung bemüht habe.

Klassische Reitweise

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Die klassische Reitweise gilt als Grundstein vieler heutiger Reitweisen. Diese Reitweise entwickelte sich anfänglich v. a. im Krieg (Mittelalter), wo das Pferd meist ohne Zügelhilfen lenkbar sein musste, denn die Hände mussten Waffe und Schutzschild tragen. Für Ausweichmanöver und Angriff waren spezielle Lektionen wie Seitwärtstreten oder Sprünge sowie das Ausschlagen auf Kommando von grösstem Vorteil. Im 18. Jahrhundert entdeckte der europäische Adel das Reiten dann als höfischen Zeitvertrieb für sich. Reiten sollte schön aussehen und musste keinen besonderen Zweck erfüllen. Reiten wurde zur Kunst, die um ihrer selbst Willen betrieben wurde. In dieser Zeit wurden wichtige Grundsteine für die heutige Reitlehre gelegt. Die Wurzeln der klassischen Reitlehre reichen jedoch bis in die Antike zurück.

Die heutige klassische Reitweise begründet all ihre Regeln und Richtlinien auf der Anatomie und Biomechanik von Reiter und Pferd. Was nicht heissen soll, dass es zu gewissen Themen nicht auch unterschiedliche Auffassungen gibt. Die klassische Reitweise gibt es nicht. Es existieren verschiedene Strömungen, die sich auf unterschiedliche historische Vorbilder berufen.

Der klassische Reiter begreift die Dressur nicht als Sport sondern als Kunst. Nicht Erfolg im Wettkampf steht im Vordergrund, sondern das Bestreben, das Pferd seinen Möglichkeiten entsprechend zur vollen Entfaltung zu bringen – und das dauert seine Zeit. Das Pferd gilt als edles Geschöpf, dem man mit Respekt und Würde begegnet. Die klassische Reitweise bringt für viele Reiter oft eine ganze Lebensphilosophie mit sich, die vor allem auch bedingt, dass der Reiter an sich selber arbeitet.

Klassikreiter legen viel Wert auf die gründliche Vorbereitung des Pferdes vom Boden aus, bevor es geritten wird. Viele Übungen erlernt das Pferd zuerst an der Hand ohne Reiter. Im Vergleich zu anderen Reitweisen wird schon relativ früh Versammlung gefordert (Schulterherein), dafür legt man weniger Wert auf eindrückliche Gangverstärkungen. Um mit dem Minimum an Hilfen auszukommen bemüht sich der Klassikreiter, dem Pferd auch seine Freiheit zuzugestehen und es in seinem Selbstbewusstsein zu bestärken. Es soll mitdenken und mitarbeiten. Darum sind die klassischen Reitweisen «Impulsreitweisen». Die Hilfen werden so dezent wie möglich eingesetzt und sobald das Pferd darauf reagiert, setzen sie wieder aus. Die Krone der klassischen Reiterei ist dann das Reiten schwieriger Lektionen auf einhändig geführter, blanker Kandare oder gar ganz ohne Zügel.

Obwohl gerade die spektakulären Lektionen wie Schulsprünge, Piaffe usw. für viele Leute der Inbegriff der klassischen Reitweise sind, darf man nicht vergessen, dass auch klassische Reiter mit jedem Pferd zuerst einmal ganz vorne anfangen müssen und dass keineswegs jeder von ihnen zum Ziel hat, bis zu diesen Übungen zu kommen. Lektionen werden geübt, wie sie das Pferd anbietet.

Die bevorzugten Pferde der alten Meister waren die heute so genannten Barockpferderassen: Kurze, kompakte Pferde, die sich leicht versammeln lassen. Grundsätzlich kann aber jedes Pferd nach klassischen Grundsätzen ausgebildet werden. Die klassische Dressur ist für das Pferd da und nicht umgekehrt. Turniere wie im modernen Dressursport gibt es in der klassischen Reitweise daher nicht. Sogenannte «Barockturniere» sind eine Erscheinung der Neuzeit und haben mit dem klassischen Reiten herzlich wenig gemein. Im Barock traffen sich die Reiter zu Pferdeballetts und massen sich im Lanzen- und Ringstechen. Dressurwettbewerbe wie die heutigen kannte man nicht.

Ein Problem der klassischen Reitweise ist meiner Ansicht nach genau dieser Trend zu Vorführungen, der mit ihrer «Wiederentdeckung» stark zugenommen hat. Auf keiner grösseren Pferdemesse darf eine «Barockvorführung» fehlen. Friesen und spanische Pferde gehören zum Standardprogramm. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Vorführungen, sie bergen nur oft die Gefahr, dass alles zur Show verkommt. Aber nicht die üppigen Kostüme, die noblen Pferde oder der spanische Schritt machen die klassische Reitweise aus, sondern die Einstellung zum Pferd und seiner Ausbildung!

Deutsche Reitweise

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Von der klassischen Reitweise führte der Weg über die Militärreiterei schliesslich zur heutigen eher sportorientierten Reitweise im deutschsprachigen Raum. Die Grundlagen sind mehr oder weniger diejenigen der klassischen Reitweise, wobei es doch einige Unterschiede gibt. Ganz nach militärischer Manier ist in der deutschen Reitweise alles durch Vorschriften der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) genau reglementiert. Es gibt eine «Skala der Ausbildung», nach der das Pferd ausgebildet wird, in den «Richtlinien für Reiten und Fahren» wird die Hilfengebung beschrieben, für alle Turnierklassen gibt es festgelegte Aufgaben. All das dient dem Reiter als Leitfaden.

Typisch für die FN-Reitweise ist der fortwährende Zügelkontakt zum Pferdemaul und die fortwährend treibenden Hilfen. Anders als der klassische Reiter, der nur treibt, wenn das Pferd schneller gehen soll, treibt der FN-Reiter bei jedem Schritt, um die Anlehnung (Verbindung von Pferdemaul und Reiterhand über die Zügel) und den Schwung des Pferdes zu erhalten. Das hat wohl auch damit zu tun, dass hier Gang-Verstärkungen vor der Versammlung gefragt sind.

Leider besteht manchmal – besonders beim turniermässigen Reiten – die Gefahr, dass das Pferd in ein bestimmtes Schema gepresst wird, und dass Pferde, die körperlich nicht dem Ideal des Sportpferdes entsprechen, bei der Ausbildung durch die Maschen fallen. Das Pferd hat diese und jene vorgeschriebenen Lektionen zu beherrschen, wenn es auf einem gewissen Ausbildungsstand sein soll. Das Bewertungssystem im Dressursport fördert leider noch diese Verallgemeinerung der Pferde und leistet der Kraft-Reiterei «vorne halten, hinten treiben» Vorschub. Wichtiger als eine vom Pferd losgelassen und zufrieden ausgeführte Lektion ist in der Bewertung, dass die Lektion an einem bestimmten Punkt ausgeführt wird.

Westernreiten

Trail Westernreiten

Diese Reitweise entstand in Amerika als das Land von den Spaniern besiedelt wurde. Die Grundlage ist also die spanische Reitweise, die wiederum mit der klassischen verwandt ist. Sie wurde jedoch an die neuen Anforderungen angepasst. Man brauchte die Pferde für tagelange Ritte und Viehtriebe. Deshalb wollte man es möglichst bequem haben auf dem Pferderücken. Es entstand ein Sattel mit grosser Auflagefläche, der für Reiter und Pferd bequem ist. Den Pferden wurden zudem zwei «neue» Gangarten beigebracht: Jog und Lope. Jog ist eine Trabvariation und Lope ist eine Variation des Galopps. Es sind ruhige Gangarten, die bequem zu sitzen sind, und vom Pferd über weite Strecken beibehalten werden können.

Westernreiter legen Wert auf die Vorbereitung des Pferdes aufs Gerittenwerden durch Bodenarbeit. Im Unterschied zu Klassikreitern steht dabei jedoch weniger die Gymnastizierung des Pferdes als viel mehr das Fördern seiner Gelassenheit und seines Gehorsams gegen über dem Menschen im Vordergrund. Beim ausgebildeten Westernpferd hält man die Zügel in einer Hand und gibt nur impulsartige Zügelhilfen. Das Pferd reagiert nicht nur auf Zug am Zügel sondern auch auf Zügeldruck am Hals («Neck-Reining»). Es soll aber in erster Linie über Gewichtshilfen kontrolliert werden. Auch korrekt gerittene Westernpferde gehen stets leicht versammelt, jedoch mit deutlich weniger Aufrichtung als klassisch oder deutsch gerittene Pferde. Westernreiten ist also auf keinen Fall einfach gleichzusetzen mit am langen Zügel durchs Gelände bummeln!

Westernreiter sind bekannt für ihre gut erzogenen Pferde. Für einen Cowboy ist sein Pferd ein Arbeitspartner. Er ist darauf angewiesen, dass es gelassen und gehorsam ist. Für Westernreiter stehen daher eher praktische Aufgaben im Mittelpunkt als für Reiter der klassischen oder deutschen Reitweise. Leider geht bei manchen Reitern vergessen, dass das Pferd nicht ein Gerät ist, das auf Knopfdruck Funktionen abspult. Vermeintlicher Ungehorsam des Pferdes hat seine Ursache meistens in einem Fehler des Reiters und sollte nicht durch Erziehungsmassnahmen gegen das Pferd korrigiert werden. Gehorsam ist wünschenswert, ein Pferd mit Kadavergehorsam ist hingegen entwürdigt und ein himmeltrauriger Anblick.

Gangpferdereiten

Islandpferd

Ich bin mir nicht so sicher, ob man dies als einen eigenen Reitstil aufzählen kann, denn Hilfen und Ausrüstung unterscheiden sich praktisch von Rasse zu Rasse. Die Pferde werden meist in der Reitweise ihres Ursprungslandes geritten. Unter Gangpferden versteht man Pferde, die ausser den Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp noch über weitere angeborene Gangarten verfügen; bspw. Tölt und/oder Pass. Diese Gangarten sind meistens sehr bequem zu sitzen und waren auf Reisen mit dem Pferd früher sehr geschätzt.

Die bei uns bekanntesten Gangpferderassen sind die Islandpferde aus Island, Paso-Pferde aus Südamerika sowie töltende Traber.